Corrective Feedback (korrigierende Rückmeldung) ist eine Strategie, mit der du auf Aussprachefehler oder Grammatikfehler deines Kindes reagieren kannst, ohne dein Kind direkt zu korrigieren.

Corrective Feedback gehört zu den natürlichen Sprachförderstrategien. Viele Erwachsene wenden diese Strategie intuitiv an, wenn sie mit einem Kleinkind oder Vorschulkind sprechen.

Sehr oft wird sie Eltern zur Sprachförderung empfohlen. Allerdings gibt es einige Missverständnisse rund um diese Strategie. Deshalb stelle ich in diesem Artikel das Corrective Feedback für verschiedene Phasen der Sprachentwicklung vor und erkläre, was du vermeiden solltest.

Wie kannst du Corrective Feedback anwenden?

Je nachdem, wo dein Kind in seiner Sprachentwicklung steht, kannst du das Corrective Feedback für unterschiedliche Ziele einsetzen.

1. Corrective Feedback in der Einwortphase

Wenn dein Kind einzelne Wörter spricht, kannst du diese aufgreifen und in deiner Antwort in einen kurzen Satz verpacken. So hört dein Kind, wie es das Wort mit weiteren Worten kombinieren kann. Ideal ist diese Strategie deshalb auch für Late Talker.

Hier sind ein paar Beispiele für das Corrective Feedback in der Einwortphase:

Kind: hamham (zeigt dabei auf den Teller) Erwachsener: Willst du noch mehr essen?

Kind: Opa! Erwachsener: Vermisst du Opa? Opa kommt gleich wieder.

Beispiel für corrective Feedback korrigierendes Feedback
Corrective Feedback in der Einwortphase

Die Beispiele zeigen, dass Corrective Feedback oft gar nicht als „Korrektur“ verwendet wird, sondern eher als Vergewisserung: Habe ich dich richtig verstanden?

2. Corrective Feedback in der Zwei- und Dreiwortphase

So ähnlich funktioniert das Corrective Feedback auch, wenn dein Kind schon Zwei- oder Mehrwortsätze spricht:

Kind: Oma gehn! Erwachsener: Nach dem Mittagessen gehen wir zu Oma.

Kind: Jacke alleine anziehn. Erwachsener: Oh ja, ganz alleine ziehst du deine Jacke an. Ich ziehe meine Jacke auch an.


Corrective Feedback bei Kind 2 Jahre alt
Corrective Feedback wird von Erwachsenen oft intuitiv verwendet.

Bei diesen Beispielen greift der Erwachsene den Satz des Kindes auf und verpackt ihn in einen etwas längeren Satz mit korrekter Verbstellung. Denn zwischen 2 1/2 Jahren und 3 Jahren lernen Kinder, die Deutsch als Erstsprache lernen, dass das Verb in Hauptsätzen an der zweiten Stelle im Satz steht (Verbzweitstellung). Hier findest du mehr Infos zur Entwicklung der Grammatik bei Kindern.

Beim Corrective Feedback bekommt das Sprachzentrum des kindlichen Gehirns die nötigen Informationen, um diese Verbzweitstellung zu verarbeiten.

Außerdem hört dein Kind, welche weiteren Satzelemente du gebrauchst, zum Beispiel „ein Stück Kuchen“ statt „Kuchen“.

3. Corrective Feedback bei Aussprachefehlern

Auch bei Aussprachefehlern (zum Beispiel, wenn dein Kind noch einen Laut in Wörtern vertauscht oder weglässt), ist das Corrective Feedback eine hilfreiche Strategie, um deinem Kind Rückmeldung zu geben, ohne es direkt zu korrigieren.

Greife dazu das falsch-ausgesprochene Wort deines Kindes auf und verpacke dieses Wort in deinen Antwortsatz. Wichtig ist natürlich, dass du dein Kind erstmal aussprechen lässt.

Hier sind ein paar Beispiele für das Corrective Feedback zur Aussprache:

Kind: Is deh in den Tindadaten! Erwachsener: Gefällt es dir im Kindergarten?

Kind: Ich war auf der goßen Hutsche und bin huntergehutscht! Erwachsener: Auf der ganz großen Rutsche da hinten? Das finde ich ja echt mutig, da runter zu rutschen.

Corrective Feedback bei Aussprachefehlern
Corrective Feedback kann ganz nebenbei genutzt werden.

Warum und wie wirkt Corrective Feedback?

Kinder lernen unbewusst sprechen.

Sie spielen, betrachten etwas, fühlen etwas – und nehmen gleichzeitig Sprache aus ihrer Umgebung wahr.

Das kindliche Gehirn ist besonders in den ersten drei Lebensjahren extrem sensibel für Sprache. In Sekundenschnelle verknüpfen sich neue neuronale Verbindungen, wenn ein Kind Sprache hört.

Sprachförderung bei Kindern bedeutet also nicht zwangsläufig, dass “Sprechen geübt” wird. Sprache kann (vor allem bei jüngeren Kindern) auch unbewusst und nebenbei im Alltag gefördert werden.

Auch das Corrective Feedback wirkt unbewusst. Während dein Kind sich auf das konzentriert, was es tut, hört es nebenbei deine Antwort. Währenddessen ist das kindliche Gehirn hochaktiv und analysiert jeden neuen Sprachinput (also deine Antwort) nach Regeln.

Besonders gut lernt das Sprachzentrum über Kontraste. Wenn ein Kind nach seiner eigenen Äußerung deine Antwort hört, dann merkt das Sprachzentrum (bildlich gesprochen): „Ah, das wurde anders gesagt als ich es gesagt habe. Ich werde mal überprüfen, ob ich eine neue Sprachregel aufstellen sollte.“

Warum direktes Korrigieren und Nachsprechen lassen die Sprache nicht fördern

Die Sprachentwicklung ist eine Reise, in der Kinder nach und nach entdecken, wie Sprache funktioniert. Dabei ist es ganz normal und auch wichtig, Fehler zu machen. Denn vermeintliche Fehler sind oft ein Zwischenschritt auf dem Weg zum richtigen Sprechen.

Ein Kind macht Fehler beim Sprechen, weil es noch nicht anders sprechen kann. Deshalb hilft es nicht, deinem Kind zu sagen: „Das war falsch, sag mal…!“ Das würde dein Kind auf Dauer entmutigen zu sprechen und unnötigen Druck aufbauen.

Außerdem würde direktes Korrigieren deinem Kind signalisieren: Ich höre dir gar nicht richtig zu, sondern kontrolliere nur, wie du etwas sagst (und nicht, was du sagst).

Passiert das mal, ist das nicht schlimm. Aber dauernd korrigiert zu werden, kann sich irgendwann auf das Selbstwertgefühl von Kindern und auf eure Beziehung zueinander negativ auswirken.

Stell dir vor, du lernst gerade ein neue Fremdsprache. Wie geht es dir, wenn du ständig auf Fehler hingewiesen wirst? Wahrscheinlich hast du viel mehr Freude beim Lernen der neuen Sprache, wenn deine Gesprächspartner dir geduldig zuhören und du durch ihr Sprachvorbild lernen kannst, wie die neue Sprache funktioniert.

Langfristig lernt es sich mit Sprechfreude viel besser als mit Druck und der Angst vor Fehlern. Dies gilt vor allem für Kleinkinder, die noch vollkommen intuitiv sprechen lernen und aus sich heraus hochmotiviert sind, Neues zu lernen.

Missverständnisse: Wie Corrective Feedback nicht verwendet werden sollte

1. Kein Papagei

Manche Eltern haben mir berichtet, dass ihr Kind durch das Corrective Feedback irritiert ist. Dies ist meiner Erfahrung nach vor allem dann der Fall, wenn der Satz des Kindes einfach wiederholt bzw. als Frage umformuliert wurde.

Das wirkt künstlich und befremdlich für manche (vor allem für ältere) Kinder.

Mein Tipp: Versuche, den Satz deines Kindes nicht “wie ein Papagei” zu wiederholen, sondern lediglich das falsch-ausgesprochene Wort bzw. den Ein-/Zweiwortsatz in deinen eigenen Satz einzubauen.

Hier siehst du den Vergleich:

Kind: Mama, ich hab ein A desrieben!

❌ Erwachsener (wiederholt den kompletten Satz): Du hast ein A geschrieben?

✅ Erwachsener (baut „desrieben“ in einen neuen Satz ein): Oh ja! Und ein M hast du auch geschrieben.

Auf diese Weise hört dein Kind (bzw. das kindliche Gehirn) die korrekte Wortform, ohne dass dein Kind vom Corrective Feedback irritiert wird.

2. Kein Stress

Manchmal erlebe ich, dass sich Eltern von Tipps wie „Nutze Corrective Feedback“ unter Druck gesetzt fühlen. Der Gedanke, nun ständig das eigene Sprechen zu kontrollieren und zu steuern, kann Stress verursachen.

Das wiederum bewirkt häufig, dass Gespräche mit dem eigenen Kind als anstrengend empfunden werden oder auch, dass zu sehr auf „Fehler“ fokussiert wird.

Das wäre schade, denn Corrective Feedback ist ja gerade dafür da, ein Kind nicht zu korrigieren, sondern ihm einfach ein Sprachvorbild zu sein.

Mein Tipp: Weniger ist mehr. Es ist überhaupt nicht nötig, Corrective Feedback bei jedem Satz einzubauen. Nutze immer mal wieder nebenbei diese Strategie, wenn es passt – und wenn du gerade nicht daran denkst, ist das auch okay.

Das Wichtigste bleibt das Gespräch zwischen dir und deinem Kind.

Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren des Corrective Feedback!

MMag. Karin Hiebaum de Bauer

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