Aus den Kriminalgeschichten: Ein (fast) perfekter Plan
David Campell, Generalagent der Silver-Star-Versicherung, wohnhaft im Londoner Stadtteil Chelsea, plante sorgfältig. Er begann damit, seine Frau Linda und die Zwillingstöchter Rita und Shelly aufs Land zu schicken. Das war am Freitagabend. Am Sonnabend nahm er die letzten 150 Pfund aus dem Wandsafe seines Büros und verließ sein Haus. Als Campell gegen 18 Uhr vom Pferderennen zurückkehrte, waren auch diese 150 Pfund verwettet. Mit einem Wort: David Campell war bankrott. Seine Wettleidenschaft hatte ihn ruiniert. Ungerührt begann er den, für diesen Fall vorgesehenen, zweiten Teil seines Planes zu verwirklichen: Mit Hilfe einer kleinen, genau abgewogenen Dynamitladung sprengte er den Wandsafe in seinem Büro auf. Dann leerte er den Inhalt sämtlicher Behältnisse wie Schubladen, Schränke und Fächer auf den Fußboden. Er riss das Telefon aus der Anschlussdose und alle 25 Ordner aus den Regalen.
Als es draußen dunkel war, zog er ein Paar vorbereitete, drei Nummern zu große Gummistiefel mit tief eingeschnittenen Profilsohlen an, löschte sämtliche Lichter im Haus und betrat den Vorgarten. Fünf Minuten lang bemühte er sich um genügend Spuren, bevor er mit einem Stein eine Scheibe der hinteren Küchentür zertrümmerte und mit schmutzbeladenen Stiefeln das Haus betrat. Die Spur führte ihn geradewegs durch die Diele in das bereits verwüstete Büro, wo er noch einmal für ausreichend Schmutz und Abdrücke sorgte. Er ging den Weg zurück, zog draußen die Stiefel aus und betrat das Haus auf Strümpfen. Mit einem scharfen Messer zerschnitt er die Gummistiefel in kleine Stücke und spülte diese durch die Toilette. Um 23 Uhr stieg er in den 1. Stock hinauf, zog seinen Pyjama an, legte sich ins Bett, erhob sich wieder, entnahm dem Nachttisch eine Pistole und begab sich barfuss in die Diele hinunter. Dreimal feuerte er auf die nach oben führende Treppe. Hundertzwanzig Sekunden später schoss er von der Treppe aus zweimal in die Diele. Es war jetzt 23 Uhr 8. David Campell begann auf das gute Gehör seiner Nachbarschaft zu hoffen. Im Bad schmierte er sich eine dünne Schicht Fettcreme ins Gesicht und benetzte es mit Wasser. Auch Vorder- und Hinterteil der Pyjamajacke wurde mit Wasser getränkt. Um 23 Uhr 17 hörte er die Sirene des Streifenwagens. Dann stürmten drei Beamte durch die Küchentür ins Haus. 23 Uhr 35 erschien Detektivsergeant Newton höchstpersönlich, und ein „schweißgebadeter” zitternder David Campell gab zu Protokoll:
„Ich kann nicht viel sagen. Ich bin von einem dumpfen Knall munter geworden. Dann habe ich Geräusche aus dem Untergeschoß gehört. Ich habe meine Pistole genommen und schlich nach unten. Auf der halben Treppe sah ich plötzlich einen Schatten. Ich rief: ,Halt, oder ich schieße!’ da knallte es. Dreimal hat man auf mich geschossen und ich habe zweimal zurück geschossen. Der Schatten verschwand in der Küche. Ich wollte telefonieren, aber der Anschluss war gestört. Aus meinem Safe wurden 15 000 Pfund in bar und 10 000 Pfund in Wertpapieren gestohlen.”
Als er das Protokoll unterschrieb, kam Berry Hyde von der Spurensicherung und meldete Newton: „Die Sache ist klar, Jack. Der Täter kam durch den Garten und die Küchentür. Wir haben zwei Gipsabdrücke von seinen Schuhen gemacht. Übrigens jede Menge Fingerabdrücke. Ob auch vom Täter, muss sich noch herausstellen.” Während Sergeant Newton mit Campell zum Büro ging, machte sich Hyde daran, die fünf Geschosse aus Wand und Holz zu klauben. Um 0 Uhr 40 verabschiedeten sich die Beamten von dem verzweifelten David Campell. Am Sonntag, kurz vor 11 Uhr, erhielt der gleiche Campell zum zweiten Mal Besuch vom gleichen Sergeant Newton. Nur war letzterer diesmal gar nicht mehr freundlich: „Bitte ziehen Sie sich an, Sir, und packen Sie das Notwendigste ein. Wir werden uns im Präsidium wohl längere Zeit über den Tatbestand eines vorgetäuschten Verbrechens unterhalten müssen.” David Campell dachte lange darüber nach, bevor er herausfand, welcher bedauerliche Irrtum ihm unterlaufen war.