Im Rechnungswesen bezeichnen Rückstellungen Verbindlichkeiten, deren Eintreten und Höhe ungewiss sind. Wenn ein Unternehmen eine solche Verbindlichkeit erwartet, kann es Rückstellungen bilden, also einen Rechnungsbetrag „zurückstellen“, um zukünftigen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.
Für die Bildung von Rückstellungen müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Kostenursache muss im aktuellen Geschäftsjahr liegen.
- Zeitpunkt, Höhe und Bestehen der Inanspruchnahme der Rückstellungen sind ungewiss, aber wahrscheinlich.
Was ist der Unterschied zwischen Rückstellungen und Rücklagen?
In der Buchhaltung sind Rückstellungen nicht mit Kapitalrücklagen zu verwechseln. Beides sind Positionen auf der Passivseite der Bilanz. Der Unterschied liegt jedoch im Verwendungszweck:
- Rückstellungen werden für drohende Verbindlichkeiten gebildet und gehören damit zum Fremdkapital. Sie werden als Aufwand gebucht, sind also erfolgsmindernd.
- Rücklagen gelten als gebundenes Eigenkapital und werden für drohende Verluste gebildet. Das führt zu einer Erhöhung des Eigenkapitals, was jedoch keinen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat.
Welche Arten von Rückstellungen gibt es?
Bei den Rückstellungen unterscheidet man in erster Linie zwischen Schuldrückstellungen und Aufwandsrückstellungen. Der Unterschied ist recht simpel:
- Aufwandsrückstellungen sind Verpflichtungen gegenüber sich selbst.
- Schuldrückstellungen sind Verpflichtungen gegenüber Dritten.
Mit einfachen Beispielen wird klar, wann Rückstellungen in welche Kategorie fallen:
Beispiel für Aufwandsrückstellungen
Ein Gastronomiebetrieb erleidet im Dezember einen Wasserschaden. Die endgültige Reparatur ist aber aufgrund des Geschäfts um Weihnachten erst Anfang des nächsten Abrechnungsjahres geplant. Der Gastronomiebetrieb bildet hierfür Rückstellungen, die bereits in der Bilanz des laufenden Geschäftsjahres als Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung auftauchen und als Aufwand verbucht werden. Hier liegt eine Verbindlichkeit gegenüber sich selbst vor.
Beispiel für Schuldrückstellungen
Ein Unternehmen rechnet damit, dass es im Folgejahr von einem Wettbewerber verklagt wird. Hierfür kann es Prozesskostenrückstellungen bilden, um die Gerichtskosten decken zu können. Damit liegen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten vor.
§ 266 Abs. 3 B I – III HGB untergliedert Rückstellungen darüber hinaus in folgende Kategorien:
Pensionsrückstellungen
Steuerrückstellungen
Sonstige Rückstellungen
Rückstellungen für Archivierungsvorgaben laut GoBD
Auch für die Archivierung nach GoBD-Standard können Sie Rückstellungen bilden! Beispielsweise für die Anschaffung von Regalen, das Scannen von Dokumenten oder Anteile der Miete, wenn die zu archivierenden Dokumente entsprechend viel Raum einnehmen.
Warum werden Rückstellungen gebildet?
Rückstellungen dienen dazu, drohende Verbindlichkeiten im Folgejahr abzudecken. Da sie als Aufwand gebucht werden, mindern sie den Gewinn zum Jahresabschluss und damit die Steuerlast eines Betriebs. Außerdem sind Rückstellungen gesetzlich geregelt und teilweise sogar verpflichtend.
Rückstellungen werden also aus drei Gründen gebildet:
- Absicherung vor drohenden Verbindlichkeiten
- Minderung von Gewinn und Steuerlast
- Gesetzliche Verpflichtung
Wann muss ich, wann darf ich Rückstellungen bilden?
Sie dürfen Rückstellungen nur bilden, wenn die in § 249 HGB aufgelisteten Gründe vorliegen. Teilweise sind Sie dann sogar verpflichtet, diese Rückstellungen anzulegen. In Fällen, die dort nicht genannt sind, ist es unzulässig, Rückstellungen zu bilden. Das wäre mindestens eine Verwässerung der Bilanz und möglicherweise sogar eine Straftat.
Rückstellungen buchen
Rückstellungen sind grundsätzlich Passivkonten und daher im Haben zu buchen. Der Buchungssatz wird dem Einzelfall angepasst und ergänzt. Ein beispielhafter Buchungssatz für eine Rückstellung sieht so aus:
Buchungssatz
Aufwand
an
Rückstellung
Oft findet bei der Buchung der Begriff „Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten“ Verwendung. Dieser drückt aus, dass der Betrieb zwar Rückstellungen bildet, sich aber noch nicht im Klaren darüber ist, für welche konkreten Fälle diese vorsorgen.
Rückstellungen auflösen
Rückstellungen sind stets aufzulösen, sobald der Grund zur Rückstellungsbildung entfällt.
Beim Auflösen von Rückstellungen kommt es auf die Höhe des tatsächlich entstandenen Aufwands an. Es sind drei verschiedene Fälle möglich:
- Die Höhe der Rückstellung und Auszahlung stimmen überein: Die Auflösung ist erfolgsneutral.
- Die Rückstellungen waren größer als die notwendige Auszahlung: Es muss ein sonstiger betrieblicher Ertrag verbucht werden.
- Die Rückstellungen waren zu gering, also für die Auszahlung nicht ausreichend: Es ist ein sonstiger betrieblicher Aufwand festzuhalten.
Beispiel zur Auflösung von Rückstellungen
Ein Gastronom eröffnet unter dem Namen BurgerHouse ein Restaurant. Es ist optisch eng an das in der Nähe befindliche BurgerHome angelehnt. Aufgrund der ähnlichen Konzepte rechnet der Betreiber damit, von dem Wettbewerber verklagt oder in anderer Form juristisch belangt zu werden. Daher bildet er Rückstellungen:
Buchungssatz
Außerordentlicher Aufwand
10.000 €
an
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
10.000 €
Es kommt wie erwartet zu einem Prozess im Folgejahr. Dabei sind drei Szenarien denkbar:
1. Rückstellung = Auszahlung
2. Rückstellung > Auszahlung
3. Rückstellung < Auszahlung
Sonderfall: Langfristige Rückstellungen
Was sind langfristige Rückstellungen?
Langfristige Rückstellungen zeichnen sich durch eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr aus. In § 253 Absatz 2 HGB heißt es genauer:
„Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen.“
Der Begriff der Abzinsung von Rückstellungen bedeutet, dass Sie die Reserven verzinsen müssen, die sich auf Aufwendungen in der ferneren Zukunft beziehen.
Hier zwei Beispiele:
- Pensionen für Mitarbeiter
- Rückstellungen für Garantieleistungen, die eine längere Laufzeit als ein Jahr haben
Die Verzinsung dient dazu, steigende Kosten abzubilden. Mittels der Verzinsung errechnen Sie einen Erfüllungsbetrag. Auf dessen Basis bestimmen Sie durch den Abzinsungssatz den Barwert der Rückstellung. Sie finden die aktuell gültigen Abzinsungssätze online auf der Webseite der Deutschen Bundesbank. Zur Berechnung empfehlen wir außerdem den Einsatz einer Buchhaltungssoftware oder das Hinzuziehen eines Bilanzbuchhalters.
Der Rückstellungsspiegel: Überblick über alle Rückstellungen
In dem sogenannten Rückstellungsspiegel werden alle Rückstellungsposten der Bilanz und deren Entwicklung aufgelistet. Die tabellarische Übersicht enthält Informationen zu:
- Anfangsbestand
- Endbestand zum Bilanzstichtag
- Zuführung
- Auflösung
- Verbrauch / Inanspruchnahme
- Umbuchung
- Effekt aus der Auf- und Abzinsung
Ist es Pflicht, einen Rückstellungsspiegel zu führen?
Grundsätzlich sind Sie gesetzlich nicht dazu verpflichtet, einen Rückstellungsspiegel aufzustellen. Allerdings fordert § 285 Nr. 12 HGB dazu auf, die Entwicklung der sonstigen Rückstellungen zu erläutern. Diese Aufforderung können Sie durch eine Übersicht in Form eines Rückstellungsspiegels erfüllen.
Um den handelsrechtlichen Ansprüchen zu genügen, ist ein Rückstellungsspiegel oft notwendig. Deshalb sollte er in einer professionellen Buchhaltungssoftware vorhanden sein. Wie genau Sie den Überblick strukturieren, ist Ihnen selbst überlassen. Beliebt sind die Anordnung nach Fälligkeit und die Auflistung der oben genannten Informationen.
Rückstellungen zusammengefasst
- Rückstellungen sind Verbindlichkeiten, die mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit eintreten, deren Bestehen und Höhe aber ungewiss sind.
- In erster Linie wird zwischen Schuld- und Aufwandsrückstellungen unterschieden.
- Die genauen Voraussetzungen, wann Rückstellungen zu bilden sind, regelt das Handelsgesetzbuch.
- Einen Überblick über die eigenen Rückstellungen kann ein Rückstellungsspiegel geben.
- Buchhaltungssoftware unterstützt dabei, Rückstellungen zu bilden, aufzulösen und zu überblicken
Beispielrechnung: So buchen Sie Rückstellungen
Beispiel 1: Greifen wir das Beispiel mit dem Gerichtsprozess auf: Da sich der Prozess über einen längeren Zeitraum erstreckt und zum Bilanzstichtag (31.12.) noch nicht beendet ist, müssen Sie in Ihrer Bilanz eine Rückstellung bilden. Sie schätzen, dass durch den schwebenden Prozess für das laufende Wirtschaftsjahr anteilige Anwaltskosten in Höhe von 14.000,00 Euro netto entstehen werden. Wie gehen Sie vor?
Die zu erwartenden Kosten in Höhe von 14.000,00 Euro werden gewinnmindernd auf der Soll-Seite auf das Buchungskonto „6770 Rechts- und Beratungskosten“ gebucht. Das Gegenkonto „3930 Sonstige Rückstellung“ buchen Sie rechts auf die Haben-Seite.
Nach Abschluss des Verfahrens im April 2018 übersendet Ihnen der Anwalt eine Rechnung in Höhe von 17.255,00 Euro, die sie sofort per Banküberweisung bezahlen.
Dabei gehen Sie folgendermaßen vor:
Da der Gerichtsprozess abgeschlossen ist und Sie die Rechnung vom Anwalt erhalten haben, ist die Rückstellung nicht länger notwendig. Lösen Sie die Rückstellung auf, indem Sie den vollen Betrag in Höhe von 14.000,00 Euro auf dem Buchungskonto „Sonstige Rückstellungen“ links auf der Soll-Seite verbuchen. Ihre Rückstellung ist damit aufgelöst. Auf der Haben-Seite steht hingegen der Schuldbetrag in Höhe von 17.255,00 Euro. Bilden Sie hierzu den Buchungssatz „3930 an 1200 “. Im nächsten Schritt ziehen Sie vom Rechnungsbetrag die Vorsteuer ab, denn diese können Sie später beim Finanzamt geltend machen:
17.255,00 Euro : 119 ∙ 100 = 14.500,00 Euro
Die Vorsteuer beträgt 2.755,00 Euro.
Das Ergebnis zeigt, dass der Anwalt einen Netto-Betrag in Höhe von 14.500,00 Euro einfordert. Sie haben sich in Ihrer Kalkulation also um 500,00 Euro verschätzt. Daher müssen Sie die zusätzlichen Kosten in Höhe von 500,00 Euro auf das Aufwands- bzw. Buchungskonto „6770 Rechts- und Beratungskosten“ auf der Soll-Seite (links) buchen.
Beispiel 2: Doch was passiert, wenn der Rechnungsbetrag niedriger als Ihr kalkulierter Wert ausfällt? Nehmen wir an, die Anwaltskosten belaufen sich auf 16.065,00 Euro. In diesem Fall sähen Ihre Buchungssätze folgendermaßen aus:
Der Buchungssatz am 31.12.2017 bleibt in diesem Beispiel gleich. Sie gehen im Kalenderjahr 2017 immer noch davon aus, dass Sie im nächsten Jahr eine Rechnung in Höhe von 14.000,00 Euro zu begleichen haben. Im April 2018 erhalten Sie den tatsächlichen Rechnungsbetrag in Höhe von 16.065,00 Euro, die sie per Banküberweisung bezahlen. Unverändert bleibt, dass Sie die Rückstellung auf der Soll-Seite wieder auflösen müssen („3930 an 1200“) – und zwar immer mit dem Eingangswert, den Sie im ersten Buchungssatz verwendet haben. Die Vorsteuer beträgt in diesem Fall 2.565,00 Euro.
Nachdem Sie die Vorsteuer von dem Rechnungsbetrag in Höhe von 16.065,00 Euro abgezogen haben, stellen Sie nun fest, dass Sie dem Anwalt nur 13.500,00 Euro netto zahlen müssen. Also 500,00 Euro weniger, als Sie im Jahr 2017 kalkuliert hatten. Diesen Wert buchen Sie dann als Ertrag auf der Haben-Seite. Hierfür nehmen Sie das Buchungs- bzw. Ertragskonto „4930 Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen“. Ihr Gewinn hat sich am Ende um 500,00 Euro vermehrt.